Faszinierend: "Marjorie Prime" im Kleinen Haus

Faszinierend: "Marjorie Prime" im Kleinen Haus

von Isabella Kreim

Theatrales Highlight während des Futurologischen Kongresses am letzten Wochenende am Stadttheater Ingolstadt war die faszinierende deutschsprachige Erstaufführung von „Marjorie Prime“ des amerikanischen Autors Jordan Harrison im Kleinen Haus.
Er ist immerwährend gleichmütig sanft und freundlich, ermahnt sie, etwas zu essen und genügend zu trinken. Er spricht keineswegs mit Computerstimme. Und ist doch ein Roboter, ein Prime. Walter, eine digitale Kopie des längst verstorbenen Ehemanns der alten Frau Majorie. ihr Walter als junger Mann.
Er ist lernfähig. Nimmt auf, was sie ihm erzählt. Es sind aber immer dieselben Geschichten, die die bereits demente alte Frau erinnert. Und so sind diese Dialoge zwischen der alten Frau und der KI so ähnlich, wie auch ein dementes Gehirn funktioniert. Ein Kreisen um die immer gleichen Versatzstücke. Der Heiratsantrag, der erste Hund Toni, der 2. Hund Toni, die Geburt der Tochter... Aber dieser Avatar weiß auch, was Marjorie nicht erinnern will. 

Regisseur Richard Wagner, Bühnenbildner Servé Hermans und Videograf Richard Haufe-Ahmels haben für die unterschiedlichen Bewusstseinsebenen in diesem Stück ein grandioses Zwischenreich geschaffen, um die Konstellation dieser Begegnung zwischen Mensch und Maschine real und absurd zugleich werden zu lassen.

Jordan Harrison dreht die Spirale der Präsenz des künstlichen Menschen-Ersatzes weiter. Die Methode, einen Verstorbenen durch einen Avatar zu ersetzen, hat sich bewährt. Am Schluss unterhalten sich die 3 Avatare.

Jordan Harrison hat ein Stück über eine Zukunft geschrieben, in der ein Pflegeroboter nicht nur für Essen und Körperhygiene, sondern auch für einen Ersatz für menschliche Zuwendung sorgt.
Aber darüber hinaus stellt er Fragen wie: Worin besteht menschliche Nähe? Was bleibt von einem Leben, wenn die Erinnerung nur noch aus unzuhammenhängenden Puzzleteilen der eigenen Biografie besteht? Was war wirklich, was ist zur beschönigten Familienlegende geworden? Und was wurde verdrängt und völlig ausgeblendet? Und schließlich: Was unterscheidet menschliche Reaktionen von denen eines täuschend lebensechten Roboters, der mit allen Informationen über eine Person gefüttert wurde?

In nur 3 Wochen hat Richard Wagner mit den hervorragenden Schauspieler*innen „Majorie Prime“ fasziniernd und ergreifend menschlich auf die Bühne gebracht. Weitere Vorstellungen im Kleinen Haus des Stadttheaters ingolstadt sind am 25. Mai und am 9. und 10. Juni.

Foto: Jochen Klenk

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Kulturkanal am 19.05.2022
    
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