von Isabella Kreim
Partizipatives Theater ist ein Schwerpunkt des Festivals für Junges Theater „Südwind“. Auch in der Produktion des Jungen Theaters zu diesem Festival spielen Zuschauer und Zuschauerinnen mit. Und zwar auf ganz zauberhafte Weise.
Die Ausgangssituation: Ein 7jähriger Junge fertigt eine Liste an mit allem, was er schön findet, was ihm Freude macht in seinem Leben.
Der Auslöser: Seine depressive Mutter hat versucht, sich das Leben zu nehmen.
Als 17jähriger, nach dem 2. Selbstmordversuch seiner Mutter, nimmt er diese Methode wieder auf. Jetzt ist er eher wütend auf seine Mutter, glaubt nicht mehr, sie mit seiner Auflistung, die inzwischen Tausende von Stichworten über das Schöne im Leben umfasst, von einem neuen Suizidversuch abhalten zu können. Und er hat dennoch Schuldgefühle. Eine typische Reaktion von Kindern von Suizidgefährdeten. Aber eine solche Liste über all das Schöne erweist sich auch als tolles Kommunikationsmittel mit seiner ersten Liebe, Uli, die seine Aufzählungen ergänzt.
„All das Schöne“ heißt dieser Theatermonolog des britischen Autors Duncan Macmillan und des Comedian Jonny Donahoe. Steven Cloos ist dieser namenlose Erzähler, der mit Charme und Selbstironie durch sein Leben führt, an das Kind im Auto des Vaters auf dem Weg zum Krankenhaus, in dem die Mutter liegt, erinnert, an die erste Liebe, an Heirat, Trennung und die Angst, selbst depressiv zu werden. Und dies wirkt in der Inszenierung von Johanna Landsberg sehr heiter, improvisatorisch, so ganz ohne Theatralik, als würde hier wirklich ein guter Kumpel aus seinem Leben erzählen. Steven Cloos knüllt mal schnell seine Jacke in den Arm, um den Hund zu zeigen, den er als kleiner Junge zum Einschläfern bringen musste, er schreibt einige seiner herrlich amüsanten Listenposten an die Wand oder auf den Boden, ist ganz ohne große Veränderungen kleiner Junge und reifer Erwachsener.
Dass das Thema Selbstmord und Depression hier überhaupt nicht deprimierend rüberkommt, liegt auch an einem Trick, den bereits das Autorenpaar vorgegeben hat. Die suizidgefährdete Mutter kommt überhaupt nicht vor, und alle anderen Rollen, den Tierarzt, die Schulpsychologin, die Freundin, deren Vater, spielen Personen aus dem Publikum, die unterschiedliche Vorgaben erhalten. Mal die Anweisung, als Kind einfach nach jedem Satz des Vaters „Warum?“ zu fragen, mal können diese Hilfs-SchauspielerInnen aber auch freier die Reaktion ihrer Figur selbst bestimmen.
Und weil Steven Cloos so begnadet spontan, herzlich und barrierefrei mit seinen MitspielerInnen aus dem Publikum umgeht, sind auch diese Szenen spannend, berührend und manchmal auch lustig.
„All das Schöne“ . So wunderbar einfach kann der Umgang mit einem belastenden Thema sein. Wo anders als in der Spielsituation Theater kann das so gelingen?
Foto: Jochen Klenk