von Isabella Kreim
Am Schluss, beim letzten Song „Believe in me“ machen sie sich gegenseitig den Platz an der Rampe auf dem runden Bühnenpodest streitig und rivalisieren handgreiflich um die Deutungshoheit ihrer Geschichte und die Pole-Position vor Publikum.
Welches Narrativ ist wahr? Oder besser: Wessen Geschichte kommt in dieser Medienwelt am besten an, garantiert Erfolg und damit auch die Macht, die anderen Sichtweisen zu negieren?
Mediale Shitstorms und die öffentliche Meinung fragen im postfaktischen Diskurs nicht mehr nach Wahrheit und Differenzierung, sondern nur nach der bestmöglichen Vermarktung einer Geschichte.
Die israelische Star-Autorin und -Regisseurin Yael Ronen hat in einem Musical „Slippery slope“ ( auf deutsch: rutschiger, schlüpfriger Abhang) die Ambivalenz der Zeitgeist-Debatten um kulturelle Aneignung, cancel culture, Machtmissbrauch oder #me too ebenso intelligent wie unterhaltsam auf die Bühne gebracht. Vor einem Jahr am Maxim-Gorki-Theater in Berlin, erfolgreich auch beim Berliner Theatertreffen und nun, als Eröffnungspremiere der neuen Spielzeit, auch am Stadttheater Ingolstadt, wo sie ihr Stück ebenfalls selbst inszeniert hat.
So unterhaltsam und intelligent kann man mit Zeitgeist-Debatten umgehen. „Slippery slope“ ist ein virtuoser Spielzeitauftakt, der viel bejubelt wurde. Mit dieser Produktion zeigt das Stadttheater Ingolstadt, dass es mit den Top-Theaterereignissen der Metropolen mithalten kann.
Foto: Pedro Malinowski