von Heike Haberl
Wasser – für die zwölfjährige Kasienka ein ganz besonderes Element, gewissermaßen ihr Lebenselixier. Mit ihrer Mutter muss sie aus der polnischen Heimat nach England auswandern, um ihren Vater zu suchen, der die Familie im Stich gelassen hat. Die fremde Umgebung, Mobbing in der Schule, Verständigungsschwierigkeiten, die Sorgen und die Verzweiflung, die sich in der provisorischen Ein-Zimmer-Wohnung breitmachen – es ist alles andere als leicht für sie, hier neu Fuß zu fassen.
Sarah Crossans Jugendroman „Die Sprache des Wassers“, der sich in einer ebenso bildhaften wie lyrisch-poetischen Erzählweise mit den Integrationsproblemen und Identitätskrisen eines jungen Mädchens befasst, wurde mehrfach ausgezeichnet und war für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Regisseurin Mia Constantine hat diese berührende Coming-of-Age-Geschichte auf eine einfühlsame, kreativ durchdachte, 50minütige Schauspielfassung konzentriert – und zum Saison-Auftakt des Jungen Theaters Ingolstadt auf die Werkstattbühne gebracht.
Dabei fokussiert sie sich auf ein dreiköpfiges Darsteller-Ensemble in lila Kapuzenpullis und grauen Jogging-Hosen, das alle Rollen übernimmt: Und obwohl Enea Boschen hauptsächlich Kasienka ist, Benjamin Dami überwiegend ihren Freund Willam gibt und Olivia Wendt in erster Linie ihre Mutter verkörpert, greifen sie doch gegenseitig immer wieder Parts der anderen auf, übernehmen Impulse, führen Sätze weiter, spielen aber auch die weiteren Figuren wie den kenianischen Nachbarn Kanoro, die Lehrerin oder die fiese Mitschülerin Clair.
Die ganze Bühne hat Ausstatterin Monika Frenz in ein Schwimmbad aus blauen und weißen Fliesen verwandelt, samt Ein- und Ausstiegsleiter und nummerierten Startblöcken. Die werden als Requisiten vielseitig eingesetzt und können sogar zum Hocker umfunktioniert werden oder als Fernseher dienen. So kommt die Handlung mit überraschend wenigen, minimalistischen Mitteln aus, die durch atmosphärische Videoprojektionen und passende Soundeffekte ergänzt werden.
Die Szenenwechsel zwischen den wunderbar berührend, direkt, authentisch und manchmal herrlich witzig agierenden Schauspielern Enea Boschen, Benjamin Dami und Olivia Wendt passieren Schlag auf Schlag, in perfekt getakteten, blitzschnellen Übergängen und geben ehrliche, aber auch behutsame Einblicke in das Gefühlschaos und Gedankenkarussell von Jugendlichen.
„Die Sprache des Wassers“ nach dem Roman von Sarah Crossan in der Inszenierung von Mia Constantine auf der Werkstattbühne des Jungen Theaters Ingolstadt. Eine inspirierende Geschichte über Vertreibung und Einsamkeit, über Persönlichkeitsfindung und Selbstvertrauen, über die Entwicklung der eigenen Stärken und den Weg zum eigenen Ich.
Foto: Ludwig Olah