Benefiz- u. Jubiläumskonzert der Audi Bläserphilharmonie

Benefiz- u. Jubiläumskonzert der Audi Bläserphilharmonie

von Heike Haberl

Drei Konzerte auf einmal

Die Audi Bläserphilharmonie feierte die „Vorweihnacht der guten Herzen“ sowie ihr 60jähriges Jubiläum mit Lieblingskompositionen, dem Perkussionisten Johannes Fischer und dem Sänger Kaled

 

Was sich Chefdirigent Pietro Sarno da hat einfallen lassen, ist schon gigantisch. Für das Benefizkonzert zur Spendenaktion „Vorweihnacht der guten Herzen“ des Donaukurier – gleichzeitig auch eine Geburtstagsfeier zum 60jährigen Bestehen der Audi Bläserphilharmonie – stellte er gleich drei völlig unterschiedliche Programmblöcke zusammen, in denen das Blasorchester seine bewundernswerte Vielseitigkeit, seine künstlerische Bandbreite und sein gesamtes Können zeigte.

Begrüßt wurde das Publikum durch die Blechbläserformation, die von der Empore aus farbenprächtig die orientalisch-persisch angehauchte Fanfare aus dem Ballett „La Péri“ von Paul Dukas schmetterte.

Auf abenteuerliche Weltreise machte sich dann das gesamte Orchester in Otto M. Schwarz' „Around the World in 80 days“ nach dem berühmten gleichnamigen Jules-Verne-Roman. Die filmmusikalische Charakterisierung der einzelnen Länder und Fortbewegungsmittel (wie die Eisenbahn, Elefanten, ein Schiff oder eine Postkutsche) gelang mit eindrucksvoller Plastizität. Ob Ferner Osten oder Wilder Westen, die italienische Hymne oder die „Marseillaise“, Glockenschläge des Londoner „Big Ben“ oder Frank Sinatras „New York, New York“, arabische Impressionen aus 1001 Nacht oder japanische Pentatonik: Die Bläserphilharmonie spielte das unter dem punktgenau ausgeloteten Dirigat von Pietro Sarno mit enormem Facettenreichtum, meisterte die vertrackten Tempoübergänge und verschachtelten Endsätze in flexibler Wendigkeit. Großes Entertainment!

Weiter ging es mit „Arsenal“, einem schmissigen Marsch von Jan Van der Roost. Diese Auftragskomposition für das Blasorchester des belgischen Eisenbahnarsenals bestach in der Interpretation der „musizierenden Audianerinnen und Audianer“ durch würdevolle Festlichkeit, durch eleganten Schwung.

Ganz anders beim Arrangement „Charles Chaplin“ von Marcel Peeters, das die besten, selbst geschriebenen Melodien des legendären Stummfilm-Stars vereint: Hier bewies der Klangkörper sein launiges, komödiantisches Geschick, sein fein-ironisches Gespür für slapstickhafte Clownereien, aber auch für die melancholischen, tiefer gehenden Stimmungen dahinter. Nicht nur bei den lautmalerischen, scherzhaften Eskapaden der Schlagzeuger glaubte man den unvergessenen Schauspieler förmlich über die Bühne spazieren zu sehen, herumtänzelnd in seinen übergroßen Schuhen, mit seinem typischen Schnauzbart, Stock und Melone.

Soweit die Auswahl der Favoriten aus dem Repertoire der letzten 15 Jahre, für die sich das Orchester vorab entschieden hatte. Ernsthafter wurde es im zweiten Teil des langen, fast dreistündigen Abends: Glitzerndes Schimmern, stille Emotionalität, erhabene Schönheit und elegische Romantik verströmte die Bläserphilharmonie in Eric Whitacres zauberhafter Tondichtung „October“, dem zeitlich perfekt passenden Lieblingsmonat des amerikanischen Komponisten. In derart feierlicher Atmosphäre bot sich Gelegenheit für Andreas Zelzer (Leiter Personal und Transformation der AUDI AG), Jörg Schlagbauer (stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der AUDI AG) und Bürgermeisterin Dr. Dorothea Deneke-Stoll, dem Blasorchester ihre Anerkennung auszusprechen, das kulturelle Engagement zu würdigen, wichtige Schlaglichter Revue passieren zu lassen und natürlich zum runden Geburtstag zu gratulieren.

Nun war die Bühne bereit für den Instrumentalsolisten des Konzerts – Johannes Fischer, ein wahrer Klangmagier der Perkussionskunst. In Menno Bosgras klug und kompakt gesetztem „Concertino for Percussion and Band“ warteten drei verschiedene Setups hintereinander darauf, von ihm bespielt zu werden. Und das tat er grandios! Zunächst am klassischen Schlagzeug-Instrumentarium aus Pauken, Triangel und Tamburin, an denen er mit überwältigender, geradezu militärisch-archaischer Kraft agierte. Dann an Marimba und Vibraphon: Welch energetisch pulsierende Wirbel er darauf entstehen ließ, wie zart er die weichen Legato-Linien phrasierte, in welch lyrischer Gesanglichkeit er in eine farbig schattierte Interaktion mit dem Orchester trat, war absolut faszinierend. Und schließlich am Drumset aus ungestimmten (!) Trommeln, Kuhglocke, Becken und vielem mehr zum furiosen Kehraus. Hellwach, bis aufs Äußerste sensibilisiert und hochkonzentriert setzte er nun nicht nur die Hände, sondern sogar die Füße für seine atemberaubende Darbietung ein, schwang mit seinem ganzen Körper in einem rasanten Feuerwerk der Explosionen und Spannungsentladungen. Doch damit nicht genug: Als Zugabe demonstrierte Fischer zur Verblüffung des nahezu vollbesetzten Auditoriums, was er an raffinierten, flirrenden Sounds und Rhythmen alles aus der ausrangierten Felge seines alten Audi A6 herausholen kann. „Wenn nicht jetzt und hier, wann dann?“ Spektakulär!

Ihre Experimentierfreude, ihre Offenheit für Neues bewies die Bläserphilharmonie bei ihrem gemeinsamen Auftritt mit dem Singer-Songwriter Kaled, den sie beim SWR3 New Pop Festival kennengelernt hatte. Wie sehr der Funke zwischen ihm und dem Orchester schon damals übergesprungen sein muss, wurde vom ersten Moment an hörbar. Sofort suchte Kaled den direkten Draht zum Publikum, sprang von der Bühne, wanderte durch die Reihen, schäkerte, scherzte, zog mitten hinein in den ganz eigenen Bann seiner Songs. Sang mit seiner kraftvoll-rauen, markanten Stimme fesselnd davon, dass jedes Ende ein neuer Anfang ist. Dass es immer weitergeht. Von der Suche nach der großen Freiheit, nach Respekt und Toleranz. Von der unerschütterlichen Liebe zu seiner Frau und seiner ganz persönlichen Art, mit Fremdenhass umzugehen. Sei es im bayerisch-münchnerischen Dialekt oder in der härter klingenden hochdeutschen Sprache: Immer brachen sich die pure Intensität, die natürliche Leidenschaft Bahn, mit denen der charismatische Halbägypter performte. Das groovt, das flowt, geht unter die Haut. Passt in keine Schublade, sprengt die Grenzen zwischen Pop, Rock, Funk, Rap und Soul, ja, manchmal glaubt man sogar Anklänge an Liedermacher wie Konstantin Wecker zu erkennen. Eine Mixtur aus cooler Lässigkeit und elektrisierenden Vibes, deren ansteckender Wirkung man sich nicht entziehen kann. So hat man einen Auftritt der Audi Bläserphilharmonie, die dem Ganzen in beflügelnder, satter, orchestraler Dichte nochmals neue, höhere Dimensionen verlieh, in Ingolstadt wohl noch nie erlebt. „Geballte Bläserpower“, wie es BR-Klassik-Moderatorin Annekatrin Hentschel anfangs formulierte, die fachkundig-souverän und in Gesprächen mit den Künstlern durch den Abend führte. Am Ende stand der ganze Saal, klatschte und wippte im Takt. Oder um es in den Worten auszudrücken, mit denen sich Kaled verabschiedete: „Es war der Wahnsinn! Es war geil!“

Foto: Audi AG

Kulturkanal am 04.11.2022
    
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