von Isabella Kreim
Herrlich altmodisch. Theater wie von vorgestern. Aber in diesem Fall ist wirklich alles rundum stimmig.
Der altmodische und ziemlich rührselige Stoff aus dem 19. Jahrhundert, das Bühnenbild aus gemalten Kulissen von Alpengipfeln oder der Großbürgervilla in Frankfurt. Und ein hervorragendes 23-köpfiges Musical-Ensemble.
Die Rede ist vom Gastspiel des Familienmusicals „Heidi“ als Tourneeproduktion vom Stadttheater Brünn im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt, das auch noch heute um 19.30 Uhr und morgen um 19 Uhr zu sehen ist. Es gibt noch Karten für Kinder und auch für Erwachsene, die in ihre eigene Kindheits-Lektüre oder einfach in eine Theaterwelt ohne Videoprojektionen, Trash auf der Bühne oder sonstige Irritationen abtauchen wollen.
Komponiert und gemeinsam mit dem Drehbuchautor Dieter Schreeb geschrieben hat das Musical nach den Bestseller-Romanen von Johanna Spyri Michael Schanze, bekannt als Schlagersänger und TV-Moderator in den 70er und 80er Jahren.
Und diese Musik mit einigen eingängigen Songs von der Kraft der Fantasie oder dem Lob der Freundschaft klingt auch wie die deutschen Hits aus dieser Zeit. wenn auch orchestral aufgewertet.
Das einzig neumodische ist eigentlich: Es sitzt kein Live-Orchester im Orchestergraben, die Musik, auch die Maultrommel vom Geissenpeter und natürlich die Alphörner kommen vom Band, und gesungen und gesprochen wird mit Mikroports.
Hervorragende TänzerInnen in flotten Choreographien als Bedienstete im vornehmen Frankfurter Haushalt, sehr gute SängerInnen und allen voran, Isabel Waltsgott als Heidi sorgen für eine rundum gelungene Aufführung, die am Schluss heftig bejubelt wird.
Nostalgie pur. Gefühlvoll, aber ohne in den Kitsch-Abgrund zu kippen. Dafür sorgt auch die Inszenierung des erfahrenen Regisseurs Stanislav Mosa, der die immerhin über zweistündige Spieldauer zügig, mit lebendiger Personenregie und kleinen komödiantischen Akzenten auf die Bühne gebracht hat.
Die Heidi-Romane von Johanna Spyri, geschrieben um 1880, stellen in einer durchaus rührseligen Handlung das freie, gesunde Leben auf den Schweizer Bergen dem ungesunden, stark reglementierten Leben in der Großstadt Frankfurt, im Großbürgermilieu, also keineswegs unter den Bedingungen von Fabrikarbeitern im Zuge der Industrialisierung, gegenüber. Dieser Stadt-Land-Kontrast war literarische Mode und die Alpenidyllen-Natur-Nostalgie ist es bis heute.
Hier liegt der Schwerpunkt hauptsächlich auf der Fähigkeit dieses Naturkinds Heidi, für den mürrischen Misanthropen Alm-Öhi und auch in das kalte Klima in der Stadtfamilie wieder mehr Menschlichkeit zu bringen. Auch schön.
Foto: Tino Kratochvil