von Isabella Kreim
Sie singen „zu sterben sei das größte Abenteuer“ vor den riesigen, zu Hügeln aufgetürmten Kinderköpfen, deren Augen manchmal rot aufleuchten. Mit so viel morbider Tristesse anstatt eines fulminanten Musicalfinales endet „Peter Pan“.
Es ist ein schaurig-düsteres Märchenmusical für Erwachsene, das Regisseur Robert Wilson vor 10 Jahren nach der 100 Jahre alten Erzählung von James Matthew Barrie für seine schräge Bildwelt adaptiert hat. Der Clou dabei ist die Musik der amerikanischen Indie-Band CocoRosie.
Das Stadttheater Ingolstadt hat diese Bühnenfassung nun in der Inszenierung von Ekat Cordes wieder auf die Bühne gebracht.
Und das Regieteam mit Ausstatterin Anike Sedello, Choreograph Sean Stephans und den dezenten Videos von Richard Haufe-Ahmels erschaffen einen visuell, choreographisch und darstellerisch eindrucksvollen, spannenden, aber bedrückenden Kosmos.
Denn anders als bei Walt Disney ist dieses Neverland, in das Peter Pan, der Junge, der nicht erwachsen werden will, Kinder entführt, im Original und bei Robert Wilson ganz und gar kein Kinderparadies, in dem Kinder fliegen und ihrer Fantasie freien Lauf lassen können, sondern ein Alptraumland voller Grausamkeiten, in dem wie in den schlimmsten realen Erwachsenenwelten jeder gegen jeden kämpft.
Doch bei allem Genuss an der gelungenen Performance fragt man sich doch: Was wird da eigentlich erzählt?
Dass Kinder wie die Lost Boys ohne die Regeln der Erwachsenen noch schlimmer emotional verwahrlosen so wie Peter Pan, der auf einem Egotrip mit dämonischen Zügen ist? Dass die Freiheit von Zwängen ein gefährliches Abenteuer auf Leben und Tod ist?
Die Traumatisierung der Kinder durch die Vernachlässigung der Eltern wird allerdings nur in den englischen Songs erwähnt. Auf der Bühne wird diese Geschichte der „Verlorenen Jungs“ nicht erzählt., kann vielleicht mit dieser Bühnenvorlage auch gar nicht erzählt werden, Und Captain Hook? Und das Krokodil? Die Nixen? Es ist eine Welt, in der das Böse ganz selbstverständlich dominiert. Grausamkeit als, für das Publikum, ein ästhetisches Abenteuer. Aus dem Abgründigen ästhetisches Vergnügen zu ziehen, ohne wirklich andocken zu können, ohne wirklichen Erkenntnisgewinn, ist aber doch schon ein wenig L'art pour l'art.
Und daher hat diese Aufführung von „Peter Pan“ bei aller Wertschätzung der künstlerischen Qualität aller Beteiligten einen flauen Beigeschmack.
Foto: RItchie Herbert