von Isabella Kreim
Was für ein starker Abend! Die Uraufführung von „Wasser“ von Anna Gschnitzer im Kleinen Haus des Stadttheaters Ingolstadt wurde letzten Samstag zum mit langem Applaus umjubelten Erfolg.
Autorin Anna Gschnitzer, Regisseur Alexander Nerlich und das Ensemble verstehen es gleichermaßen virtuos, das komplexe Innenleben von Figuren sichtbar zu machen, die Gewalterfahrungen in der Familie erlebt haben, aber nicht miteinander darüber sprechen können. Weil sie es verdrängt haben, weil sie es nicht wahrhaben wollen, weil sie es durch ein besonders harmonisches, entspanntes Ambiente zu kompensieren suchen wie Jana, die zur Taufe ihrer kleinen Tochter alle Familienmitglieder in ihr hübsch dekoriertes Bootshaus am Wasser eingeladen hat.
Das neugeborene Familienmitglied soll „reingewaschen“ und vor ähnlichen Gewalterfahrungen, wie sie hier alle auf unterschiedliche Weise gemacht haben, bewahrt bleiben. Die Familie soll wieder zum sicheren Ort für Kinder und Frauen werden.
Das Wasser löst Erinnerungen aus, aber es sickert überall ein, fließt unerbittlich weiter und wird so auch zum Symbol für die über Generationen weitergegebenen Gewaltpotentiale.
Alexander Nerlich, der bereits ein früheres Stück von Anna Gschnitzer uraufgeführt hat, setzt mit seinem Team diese kleinteilige Verzahnung und Überlappung aus realer Familienfeier, Flashbacks, inneren Monologen und durch das gesamte Ensemble kommentierten und korrigierten Verdrängungen grandios um.
Einen wichtigen Anteil an der bildhaften, höchst sinnlichen Inszenierung und der Sichtbarmachung der Erinnerungs- und Gedankenfilme der Figuren haben Bühnenbildnerin Thea Hoffmann-Axthelm und Choreografin Zoe Gyssler.
Sarah Horak, Judith Nebel, Victoria Voss, Ralf Lichtenberg, Matthias Zajgier und Ingrid Cannonier - alle sind konfliktreich gespaltene Figuren zwischen gespielter Normalität und der Qual einer anderen, inneren Wirklichkeit, die in diesem Stück, in dieser Inszenierung, großartig sichtbar gemacht wird.
Foto: Ludwig Olah