von Heike Haberl
Klassik trifft auf Komik: Das fantastische delian::quartett und einer der weltbesten Clowns, Peter Shub, gastierten mit dem Kinderkonzert „Sidekick“ bei den Audi Sommerkonzerten. Und nicht nur die Eltern, sondern vor allem die kleinen und jungen Besucher waren mit Feuereifer bei der Sache und wollten nach der Pause das lustige Geschehen sogar ganz nah am Bühnenrand miterleben. Über diesen zauberhaften, kunterbunten, erfrischenden Vormittag haben wir uns mit Andreas Moscho, dem zweiten Geiger des delian::quartetts, unterhalten.
Ein merkwürdiger Kellner im schwarzen Frack irrt mit seinem Kaffee-Tablett durch die Publikumsreihen. Er scheint etwas zu suchen – und auch zu finden, nämlich seinen Hut. Mit ihm und mit seinen magischen Händen beginnt er allerlei raffinierte und amüsante Kunststücke zu vollführen – bis vier Musiker auf der Bildfläche erscheinen. Dass der aufbrandende Applaus eigentlich dem Streichquartett gilt und nicht ihm, merkt er peinlich berührt erst zu spät. Peter Shub ist ein hinreißender Clown der kleinen, feinen Gesten, fast ganz ohne Worte. Aber das hält ihn nicht davon ab, den Musikern unsichtbare Getränke oder Essen anzubieten oder einfach mal selbst seine Brotzeit auszupacken. Mittendrin, während das delian::quartett Haydns Streichquartett „Der Traum“ spielt. Seinen Part als unsteter, herumfuchtelnder Gastmusiker an den Schellen hält er zur Freude der Kinder nicht allzu lange aus.
Anders als vorher kommt natürlich sowieso alles, wenn Clown Peter Shub die Finger im Spiel hat. Doch egal, ob er nun – versehentlich natürlich - das Geschirr unter lautstarkem Getöse zu Boden fallen lässt, ob er mit – na ja, sagen wir – ausbaufähigem Erfolg in die Position des Dirigenten schlüpft, ob er sich selbst im Mantel an die Kleiderstange hängt oder auf einem Besen und einem Steckenpferd reitet – die vier Delians sind für jeden Spaß zu haben.
Durch seine geschickte Stückauswahl, seine individuelle Herangehensweise und seine lebendig-energetische Darbietung zeigt das delian::quartett - das längst renommierte internationale Konzertsäle füllt - voll spritzigem Esprit, wie viel Freude, wie viel Glück in klassischer Musik stecken kann. Prägnante Ausschnitte wie der Presto-Finalsatz aus Haydns vielsagendem Streichquartett „Der Witz“, mit seinen unerwarteten, augenzwinkernd karikierenden Trugschluss-Wendungen am Ende, bei denen man nie so genau weiß, ob man jetzt schon klatschen soll oder nicht, Telemanns „Don Quichotte Suite“ und weitere Werke quer durch die Musikgeschichte von Bach, Strawinsky, Alfred Schnittke oder Shostakovich, eignen sich dafür ganz hervorragend.
Allein schon wie Peter Shub versucht, einen Notenständer aufzubauen und dabei fast ein furchteinflößendes Wurfgeschoss fabriziert, wie er in einer spontanen Solo-Einlage seine eigene Geburt nachspielt, mit der Nabelschnur einen regelrechten Seiltanz vollführt, um die Wartezeit zu überbrücken, bis die gerissene Saite der 1. Geige ausgetauscht wird, wie er musikalische Motive scheinbar aus den Köpfen der Zuschauer herausholt und dem Streichquartett als Inspiration zuwirft, ist phänomenal und bezaubernd zugleich. Der gebürtige Amerikaner, der seit den 1980er Jahren in Europa lebt und unter anderem mit dem Circus Roncalli und dem Cirque du Soleil auf Tour ging, erweist sich einmal mehr als unübertroffener Meister seines Fachs.
Mit großer Hingabe gehen das delian::quartett und Peter Shub als Clown da zu Werke. An diesem Vormittag erlebten Jung und Alt bei den Audi Sommerkonzerten eine wundervolle Symbiose aus musikalischer Performance, kunstvoller Artistik, absurdem Slapstick und fantasievoller Pantomime – mit ganz viel Humor und Herz. Als Peter Shub seinen imaginären Hund Gassi führt, der nebenbei bemerkt seinen ganz eigenen Kopf zu haben scheint, oder als er sich in einer sanft-tröstlichen Umarmung an die frei herabhängende Hälfte seiner Jacke schmiegt, hat das schon fast etwas Rührendes an sich. Damit ist es allerdings gleich wieder vorbei, sobald die herausfordernde Zeitungsrollen-Jagd auf eine unsichtbar herumschwirrende Fliege beginnt. Da kann es auf der Bühne und im Publikum nämlich jeden treffen. Und die richtigen Töne treffen sollen dann alle gemeinsam zum Schluss: beim Arrangement von Shostakovichs Walzer aus der Suite für Varieté-Orchester.
Das delian::quartett und Peter Shub verzauberten und begeisterten mit ihrem Sidekick-Kinderkonzert „Klassik mit Clown“ am letzten Sonntag im Gebäude H6 bei den Audi Sommerkonzerten. Schon einen Tag später trat das delian::quartett übrigens noch einmal in Ingolstadt auf – diesmal vor Schülerinnen und Schülern des Gnadenthal-Gymnasiums, um ihnen das Vergnügen, das klassische Musik bereiten kann, näherzubringen.
Foto: Audi AG