"Mein lieber Schwan" - Gastspiel im Altstadttheater IN

"Mein lieber Schwan" - Gastspiel im Altstadttheater IN

von Isabella Kreim

Mit „Mein lieber Schwan“ gastiert eine sehens- und hörenswerte Produktion des Münchner Hoftheaters noch einige Male im Ingolstädter Altstadttheater. Die Ausführenden Maria Helgath, Konstantin Moreth und Regisseur Rudi PItzl haben übrigens alle einen Bezug zu Ingolstadt, sind hier aufgewachsen oder haben hier am Stadttheater gearbeitet.

In den Walkürenritt mischt sich zunächst melodiös, dann immer schriller die Nazi-Hymne „SA marschiert“. Bereits das musikalische Vorspiel des hervorragenden Instrumentaltrios lässt aufhorchen und gibt einen Vorgeschmack, mit welchem Hintersinn und  welcher Spiellust an diesem Abend Richard-Wagner-Parodie, Schlagerrevue und Politdrama ineinander greifen werfen.
 Denn bei diesem Aufführung  geht es um mehr als um deutsche Schlager der 1930er Jahre, mit denen statt mit Richards Wagners Musik die Story von dessen "Ring des Nibelungen" in 90 Minuten auf die Bühne gebracht wird, als amüsante Travestie mit hastig aufgesetzten blonden Perücken und ständig verrutschendem Brustpanzer.

Unter all dem Bühnenspass wächst die Angst des Sängerpaars auf der Bühne, nach ihrem Auftritt von der Gestapo verhaftet zu werden. Denn die Beiden, offensichtlich auch privat ein Paar, haben längst Auftrittsverbot. Dieser charmante Sänger und Entertainer ist Jude. 
Normalerweise tingeln die Chansonsängerin Adele Würmeling und der jüdische Tenor Herwarth Moksch  mit Schlagern von Zarah Leander oder Marlene Dietrich und anderen UFA-Größen  durch die Dorfwirtshäuser. Immer unter falschem Namen.
Doch diesmal sind sie beim Verein Walhalla Wippelsdorf gelandet. Das Publikum erwartet wie das Programmplakat verrät, Ausschnitte aus Richard Wagners „Ring des Nibelungen“, gesungen von den nordischen Opernstars der damaligen Zeit  Helge Roswaenge und Kirstin Flagstadt.
Was tun? Sie brauchen das Geld.  Wollen ihren Agenten nicht verärgern. Da steht ein Riesenschwan auf der Bühne. Der Schwan aus Lohengrin im Ring des Nibelungen? Viel Ahnung können diese Wagnerianer also nicht haben. Herwath war früher, als Juden noch ins Theater gehen durften, mit seinen Eltern oft in Bayreuth. Er kennt die Handlung, sie hat allerdings keine Ahnung von Richard Wagner. Also erzählt er dem Publikum, aber vor allem auch seiner Partnerin in komischer Verkürzung , worum es in Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung so geht, damit sie mit ihren Songs mit kleinen Textveränderungen einstiegen kann. Die Rheintochter singt dann: Ich bin von Kopf bis Floss  auf Liebe eingestellt...

Regisseur Rudi PItzl hat wunderbar herausgearbeitet, wie sich aus  der zunächst ärgerlichen, ein wenigen peinlichen Auftrittssituation einer Fehlbuchung immer bedrohlicher die private Überlebengsangst des Künstlerpaars auf der Bühne einschleicht und sich auch für das Publikum dieser Theaterabend von der komödiantischen Wagner-Parodie mit eingängigen 30er Jahre Schlagern immer mehr zum politischen drama wandelt. Und Maria Helgath, die unfassbar toll singt, ist auch eine  faszinierende Schasupielerin, die jede Gefühlsregung in ihrem Gesicht sichtbar macht , die weggelächelte Peinlichkeit am Anfang, die routinierte Divaattitüde, die zögerliche Lust an der Improvisation und schließlich die panische Angst. Konstantin Moreth ist überzeugend ganz routinierter Conferencier, der mit Chuzpe jede Bühnensituation bewältigt und sogar noch den Mut zu kleinen antinazi-Anspielungen findet, einer der immer an einen positiven Ausgang glaubt,  bis es zu spät ist.

90 Minuten, in denen Bühnenspaß, Schlagerrevue, Wagner-Parodie und bitteres Schicksal zur Nazizeit sehr komisch und sehr berührend und musikalisch hinreißend verwoben sind.

Weitere Vorstellungen von „Mein lieber Schwan“ sind noch am nächsten Do, am 26. Oktober, sowie am 2. Und 3. November

Kulturkanal am 20.10.2023
    
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