Michael Kohlhaas: Widerstandsheld oder Staatsfeind?

Michael Kohlhaas: Widerstandsheld oder Staatsfeind?

von Isabella Kreim

Ist dieser Michael Kohlhaas ein  Vorbild für den Widerstand gegen ungerechte Staatsgewalt und die Willkür der Privilegierten oder ist er mit seinem Rachefeldzug gegen das ihm erwiesene Unrecht ein Staatsfeind, ein Terrorist? Ist Gewalt gerechtfertigt, wenn die staatliche Ordnung versagt?  Kohlhaas musste in seiner Rezeptionsgeschichte immer wieder als Held des Widerstands oder ganz im Gegenteil abschreckendes Beispiel für Selbstjustiz und Rebellion herhalten. Heinrich von Kleist formuliert bereits im ersten Satz seiner Erzählung „Michael Kohlhaas“ diese Ambivalenz eines ebenso rechtschaffenen wie entsetzlichen Mannes. Und dieses Dilemma löst auch die Inszenierung und Bühnenfassung von Mira Fajfer im Kleinen Haus des Stadttheaters Ingolstadt nicht auf. Und das ist gut so.

„Michael Kohlhaas“ ist die Produktion zum Spielzeitmotto „Recht und Gerechtigkeit“. Und ein schwerer Brocken, diesen Prosatext, die Erzählung „Michael Kohlhaas“ von Heinrich von Kleist auf die Bühne zu bringen. Regisseurin Mira Fajfer, die auch als Darstellerin auf der Bühne steht, ist dies bravourös gelungen. Zum einen wird die  verwickelte  Geschichte stringent und verständlich erzählt. Das ist keineswegs  selbstverständlich und  bereits in der Textfassung eine enorme Leistung .  Und Mira Fajfer hat eine Form gefunden, das auf drei Personen verteilte Erzählen mithilfe von Licht, den Sounds von Jacob Suse, den Videos von Stefano die Buduo und Live-Kamera-Großaufnahmen immer wieder in packende  Bilder und theatrale Situationen zu transformieren. 

Auch die Erzählstruktur ist schlüssig und lebendig. Mira Fajfer, Mara Thurnheer und Sebastian Kremkow wechseln sich  im Prosaerzählen ab, fallen sich ins Wort, kommentieren sich, wiederholen, sprechen auch mal chorisch.  Und sie steigen  immer wieder szenisch in einige der Rollen ein.

Es ist konsequent, dass der Protagonist nicht als Identifikationsfigur auf die Bühne gestellt wird, sondern in der Abfolge von  Mara Thurnheer als dem Rechtschaffenen, von  Mira Fajfer als dem bis zu Assoziationen an heutige Reichsbürger sich über Recht und Gesetz stellenden Rebellen und schließlich von Sebastian Kremkow als dem von Martin Luther besänftigten Staatsbürger dargestellt wird.
Es ist eben nicht so einfach  zu entschieden, was gut und böse, richtig und falsch ist, wie uns so einige heute weismachen wollen. Das muss man aushalten. Auch das  macht diese Aufführung von „Michael Kohlhaas“ im KH des Stadttheaters Ingolstadt eindringlich klar. Respekt für diese Aufführung, den klaren Umgang mit dem schwierigen Text  und  den phantasievollen Theaterinstinkt der Schauspielerin Mira Fajfer als Regisseurin.

Foto: Jochen Klenk

Kulturkanal am 15.04.2024
    
Ihnen gefällt dieser Beitrag?
Dann unterstützen Sie doch
den Kulturkanal!

zurück | Startseite | Macher | Unterstützer | Links | RSS-Feed | Kontakt | Impressum | Datenschutzerklärung
Akzeptieren

Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung dieser Webseite erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.