von Heike Haberl
Begeisterungsstürme für Simon Mayrs Oratorium „S. Luigi Gonzaga“ im Festsaal des Stadttheaters Ingolstadt. Ein Werk für die Jugend, das der Komponist als bereits älterer Mann am Ende seines fünften Lebensjahrzehnts schuf. Initiiert und organisiert wurde diese fulminante Wiederentdeckung von der Internationalen Simon-Mayr-Gesellschaft. Über den Entstehungsprozess dieses Projekts, die Einzigartigkeit seiner Musik und die besonderen Qualitäten der Mitwirkenden haben wir uns mit Dirigent und Musikforscher PierAngelo Pelucchi unterhalten, der die Aufführung leitete.
Mit seinem vorletzten Oratorium über das bewegte Schicksal des Heiligen Aloysius schuf Johann Simon Mayr ein gleich in mehrfacher Hinsicht ein herausragendes Werk. Er schrieb es 1822, also vor gut 200 Jahren, anlässlich der Gründung einer Jugendkongregation in seiner Wahlheimat Bergamo – schließlich gilt San Luigi als Schutzheiliger der christlichen Jugend. Damit wollte der Komponist das musische und kulturelle Potenzial der Heranwachsenden fördern. Erstaunlicherweise ist die „Azione Sacra“ bis heute die einzige geistliche Komposition über den Schutzpatron geblieben. Für das Libretto engagierte Mayr ein junges literarisches Talent, den kaum zwanzigjährigen Pietro Cominazzi. Wie aufwändig und herausragend sich das Ergebnis des Zweiakters letztendlich zeigen sollte – damit hatte damals wohl niemand gerechnet. Seiner Faszination ist auch der ebenfalls aus Bergamo stammende Dirigent und Musikwissenschaftler PierAngelo Pelucchi erlegen, der das grandiose Opus auf Einladung der Internationalen Simon-Mayr-Gesellschaft auf die Festsaal-Bühne im Stadttheater brachte. Noch bevor er überhaupt den Taktstock hebt, spürt man: Als ausgewiesener Mayr-Experte kennt Pelucchi am Pult das Stück so gut wie kein Zweiter, niemand ist seit Jahrzehnten so intensiv mit der Materie vertraut, so tief mit ihr verbunden wie er.
Voll höchster mentaler Konzentration gibt er den pulsierenden Energiefluss vor, führt die einzelnen Fäden zusammen zu einem großen, organischen, runden Gesamterlebnis. Bald samtig-weich und zart, bald expressiv und ausdrucksstark folgt ihm das Georgische Kammerorchester unmittelbar hinein in die bemerkenswerte Charakteristik der Musik.
An der äußerst erfolgreichen Uraufführung von „S. Luigi Gonzaga“ waren einst Schüler aus Simon Mayrs Musikschule beteiligt, die er 1805 zur Talentförderung des musikalischen Nachwuchses ins Leben gerufen hatte. So erweist es sich nun als eine nur schlüssige und stimmige Entscheidung, bei der von der Internationalen Simon-Mayr-Gesellschaft veranstalteten Aufführung im Festsaal des Stadttheaters den Jugendkammerchor Ingolstadt als frischen und intonationsschönen Klangkörper mitwirken zu lassen (Einstudierung: Eva-Maria Atzerodt). Die jungen Sängerinnen und Sänger meistern ihre erste „Mayr-Konfrontation“ mit überzeugender Leichtigkeit, freudig und begeistert atmet der Chor den erzählend-kommentierend widerspiegelnden Geist seiner eindrücklichen Passagen, trifft sowohl deren feine Nuancen als auch die stimulativ-verstärkenden Wirkungen.
Durchweg beeindruckend sind auch die drei solistischen Gesangspartien besetzt: Der aus Norditalien stammende Ingolstädter Bariton Giulio Alvise Caselli gibt einen vor Nervosität angespannten Markgrafen Don Ferrante, dem politische und familiäre Verpflichtungen zunächst über alles gehen, der aber letztendlich dem Glück und der Gottverbundenheit seines Kindes doch nicht im Weg stehen will, Sopranistin Erika Pagan verkörpert mit elegischer Melancholie seine tief gläubige, zwischen Gatten- und Mutterliebe zerrissene Frau Donna Marta. Besonders brillant: Giulia Della Peruta in der Titelrolle als Sohn Luigi, die mit der leuchtenden Strahlkraft ihres wundervollen, triumphal auftrumpfenden Soprans leidenschaftlich dafür kämpft, das Leben künftig in den Dienst der Kirche stellen zu dürfen – und am Ende den Sieg davonträgt.