von Isabella Kreim
Die britische Autorin Zinnie Harris führt in ihrer Trilogie „Haus ohne Ruhe“ den antiken Stoff der Orestie des AIchylos in die Psychiatrie von heute und analysiert mit psychologischer Feinarbeit den langen Vorlauf und die emotionalen Qualen, die zu den Taten führen, die hier, anders als in den antiken Überlieferungen, die Frauen Klytämnestra und Elektra selbst und alleine ausführen.
Die deutschsprachige Erstaufführung von “Haus ohne Ruhe“ in der Inszenierung von Jochen Schölch ist vor allem dank der herausragenden Leistungen der Schauspieler und Schauspielerinnen und des Chors so packend und spannend, dass die 5 Stunden mit 2 Pausen im Nu vergehen und mit großem Jubel und Standing Ovations gefeiert wurden.
Wir nennen die Geister der Vergangenheit, die Erinnerung an die Opfer der eigenen Untaten nicht mehr Erinnyen oder Furien. Wir glauben nicht mehr an die Götter, die eine Familie mit einem Fluch belegt oder die Täterinnen zur Rache angestiftet haben. Aber es gibt sie immer noch. Die Schatten der Opfer, die Schuldgefühle. Wir nennen es heute Psychose, Halluzinationen, Paranoia, Trauma.
Zinnie Harris hat in ihrer Neudichtung der Orestie den antiken Mythos mit dem psychoanalytischen Wissen der Gegenwart aktualisiert. Und diese Überschreibung fragt nach unserem heutigen Verständnis von Verantwortung und Schuld in Anbetracht so monströser Bluttaten. Denn auf den Fluch der Götter können wir die Verantwortung heute nicht mehr abwälzen.
Fast das ganze großartige Ensemble des Stadttheaters Ingolstadt steht in „Haus ohne Ruhe“ auf der Bühne und kann sich in Bestform zeigen. Ein eindrucksvolles Finale der Intendanz von Knut Weber.
Foto: Ludwig Olah