Galakonzert der Singphoniker beim Konzertverein

Galakonzert der Singphoniker beim Konzertverein

von Heike Haberl

Eigentlich war es als Weihnachtskonzert geplant: Ende letzten Jahres wären die Singphoniker mit einem adventlichen Programm beim Konzertverein aufgetreten, das krankheitsbedingt leider abgesagt werden musste. Und obwohl das hervorragende Vokalensemble auch jetzt mit stimmlicher Angeschlagenheit zu kämpfen hatte, gelang es den fünf Sängern und ihrem Pianisten mühelos, diese leichten Einschränkungen geschickt zu kaschieren – und damit ihr Publikum beim Nachholkonzert zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Aufgrund der Umstände blieb es natürlich nicht aus, dass gewisse Änderungen in der Liedauswahl nötig wurden - stets charmant anmoderiert durch den ersten Tenor Daniel Schreiber.

Nach dem Rosinen-Prinzip präsentierten die wunderbaren Künstler eine Art „Best of“ aus der musikalischen Geschichte ihres Ensembles: Werke, die ihnen sehr am Herzen liegen und die sie deshalb besonders gerne zum Besten geben – aber auch Komponisten, die in der Historie der Singphoniker einen hohen Stellenwert einnehmen. Dazu gehört natürlich zuallererst Franz Schubert. Seinen romantischen Gestus haben sie spürbar bis in ihr Innerstes aufgesogen. Bis in die Feinheiten formen sie alle klanglichen Entwicklungen dieses zeitlosen menschlichen Befindens aus, erwecken von der "Sehnsucht" bis zu „Im Gegenwärtigen Vergangenes“ elegische, träumerische, idyllisch-fantastische Stimmungen. Die ursprüngliche, bezaubernd schlichte Intimität der Stücke bleibt dabei stets gewahrt. Ganz ähnliches gilt für Josef Rheinbergers bewegte, hochemotionale „Johannisnacht“ als Naturerlebnis erster Güte, für Friedrich Silchers anrührende „Untreue“ oder seinen tief zu Herzen gehenden „Lindenbaum“.

Die eigentliche Initialzündung zur Gründung des Ensembles zu Beginn der 1980er Jahre gaben jedoch die Comedian Harmonists. Und die stehen in gewisser Weise sogar heute noch ungebrochen Pate für das Auftreten der Singphoniker in der aktuellen Besetzung. An ihren legendären Stil erinnerte gleich zum Einstieg das witzige Gesangsarrangement von Rossinis „Wilhelm Tell“-Ouvertüre. Countertenor Johannes Euler, die Tenöre Daniel Schreiber und Henning Jensen, Bariton Marlo Honselmann und Bass Florian Drexel gingen das genauso frech, temperamentvoll, melodisch, rhythmisch und klangmalerisch auf den Punkt gebracht an wie nach der Pause die Originalbearbeitung der Harmonists von Rossinis Ouvertüre zu „Der Barbier von Sevilla“. Bei der Adaption des Jazzstandards „Night and Day“ à la Comedian Harmonists trat dagegen die veredelte Stimmführung, die Schönheit der Phrasierung in den Vordergrund.

Ein eindrucksvolles Beispiel für Musik, wie sie seit Jahrzehnten eigens für die Singphoniker geschrieben wird, erklang mit Max Beckschäfers Madrigal „Il fé degli occhi porta“ auf einen Text von Michelangelo. Der Komponist fand hier eine ganz spezielle Tonsprache, modern und doch sehr zugänglich. Schwebende, flächige Akkorde, in die sich die Sänger ganz hineinsinken ließen.

Einziger Wermutstropfen des Abends: Aus den bereits erwähnten Gründen musste auf die komplexen, anspruchsvollen Renaissance-Sätze von Thomas Weelkes oder Orlando di Lasso verzichtet werden. Die zu erleben wäre sicherlich nicht nur eine zusätzliche Erweiterung der stilistischen Bandbreite, sondern in der Interpretation der Singphoniker auch ein spannender Genuss gewesen.

Worauf die Gesangsformation explizit hörbaren Wert legt: den typischen „singphonischen Fußabdruck“, die Identität, den Familienklang, der das Ensemble ausmacht, zu erhalten. Doch um diesen „weißen“ Zusammenklang, der sich so optimal mischt, dass daraus keine Einzelstimmen mehr hervortreten, geht es nicht ausschließlich: Jeder Sänger darf dabei trotzdem seine Individualität, seine Persönlichkeit, seine Authentizität bewahren, er selbst sein, auch durchaus mal solistisch im Vordergrund stehen. Jedes Stück wird mit neuer, frischer Einstellung interpretiert – und doch bleibt sich jeder Künstler dabei selbst in seinem eigenen Ansatz treu.

Essenziell für den singphonischen Sound ist außerdem – auch wenn die a cappella-Kultur selbstredend eine wesentliche Rolle spielt – das Klavier: Berno Scharpf an den Tasten prägt die Gestaltung ebenso agil wie einfühlsam mit. Bei den pfiffigen Kontrasten von Antonio Carlos Jobims brasilianischem Bossa Nova „One Note Samba“ mutiert der Pianist sogar zum Schlagwerk imitierenden, groovenden Beatboxer, während er am Ende der Barbier-Ouvertüre durch einen kleinen eingebauten „Aqua Planing-Zwischenfall“ plötzlich ausrutscht, unter dem Flügel landet und trotzdem unverdrossen die (zur allgemeinen Belustigung des Publikums logischerweise ziemlich „verunglückt“ geratenden) Schlussakkorde weiterzuspielen versucht.

Genau das ist ein weiteres unverkennbares Markenzeichen der Singphoniker: Ihre komödiantische Darstellungslust, ihre spitzbübische Spielfreude und und ihr herrlich verschmitztes schauspielerisches Talent. Beides kommt besonders stark beim süffisanten Lied der drei angetrunkenen Strolche aus Orffs „Die Kluge“ zum Vorschein, zeigt sich aber eben wie gerade erwähnt auch bei den zwei rasanten Rossini-Ouvertüren.

Darüber hinaus outet sich die Formation als große Fans von Verseschmied und Silbenmagier Willy Astor. Deshalb hat sie sich dessen „I mog heid no ned hoam“ extra in Musik setzen lassen. Köstlich! Von da ist es kein weiter Weg zu traditionellen bayerischen Originalweisen wie etwa dem „Giesinger Mond“, den die Singphoniker in erheiternd parodistischer Volksliedhaftigkeit besingen. Bei so viel Wandlungsfähigkeit ist es kein Wunder, dass das Ensemble auch die poppig-gefühlvollen Töne der Billy Joel-Hits „Honesty“ oder „I Love You Just The Way You Are“ aufs Beste beherrscht.

Und fast am Ende kommt es schließlich doch: das unschuldig walzerhaft anhebende und dabei gleichzeitig so beißend-makabre „Tauben vergiften im Park" von Georg Kreisler, bevor der Abend mit der „Weltschmerz-Ballade“ (die die bayerische Mundart genial mit dem Effekt einer gestopften Jazztrompete vereint) und – als Zugabe - „Guter Mond, Du gehst so stille“ ausklingt.

Ein würdiges, lebendiges, amüsantes und unterhaltsames Galakonzert zum Abschluss dieser Saison. Große Klangkommunikation, hohe Vokalkunst!

https://www.singphoniker.de/

Kulturkanal am 30.06.2024
    
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