Tanztage: Arcis_collective mit „K.I.ND of Human“
Die Geburt einer Humanoiden: Im Vorraum des Kulturzentrum neun umstehen die ...
Leni Brem-Keil, die Leiterin des Ingolstädter Altstadttheaters hat mit „Aller guten Dinge sind vorbei“ ein Theaterstück über die Spaltung der Gesellschaft geschrieben und inszeniert und mit Sophie Meinecke, Pia Kolb und Lena Schlagintweit eine optimale Besetzung für die drei Schwestern gefunden, die sich aufgrund eines Trauerfalls treffen müssen. Nicht ganz freiwillige Familientreffen verlaufen nicht immer harmonisch. Nicht an Weihnachten. Und nicht, wenn es vielleicht etwas zu erben gibt.
Man sieht es bereits bei der Begrüßung. Diese drei Schwestern haben ein unterschiedlich gutes Verhältnis zueinander. Maria und Sara begrüßen sich kühl, während mit der Jüngsten kindisch albern gescherzt wird. Sie treffen sich im Haus ihres verstorbenen Onkels, müssen sich um die Beerdigung kümmern und werden als einzige Verwandte vielleicht auch etwas erben. Die Möbel sind mit weißen Tüchern verhüllt. Und so manches andere ist in den letzten Jahren wohl auch unter der Decke geblieben. Sie scheinen wenig über diesen Onkel zu wissen. Die langjährige Haushälterin gab es in der letzten Zeit wohl nicht mehr. Alle fremdeln in diesem Haus und manchmal auch miteinander.
Zunächst sind es eher harmlose Spitzen, mit denen da durchaus amüsant gegeneinander geschossen wird. So ist das eben, wenn man miteinander aufgewachsen ist, gemeinsame Erinnerungen teilt, sich aber letztlich durch unterschiedliche Lebensumstände voneinander entfremdet hat.
Und es gibt auch Rivalitäten und Neid, etwa auf das bessere Leben der großen Schwester, die sowieso immer am besten weiß, was zu tun ist.
Das ist in flotten Dialogen amüsant und genau und mit großem Wiedererkennungswert geschrieben. Jeder kennt diese Mechanismen, wenn jahrzehntelange Rollenverteilungen, Verhaltensweisen und Animositäten mit diesen „schon früher und immer“ – Vorwürfen aufbrechen.
Und richtig schlimm wird es dann, wenn unvermittelt gegensätzliche politische Überzeugungen sichtbar werden.
Nach der Testamentseröffnung scheinen zunächst alle Rivalitäten und unterschwelligen Feindseligkeiten verschwunden. Sie erben 3,2 Millionen und das Haus. Sie köpfen eine alte Flasche Sekt, trinken ihn improvisiert aus Suppentassen und träumen von dem sorgenfreien Leben, das sie sich damit erfüllen können. Und vielleicht reicht es sogar für verrückte Ideen. Auf jeden Fall: Endlich genug Geld für Saras Kinder, endlich eine eigene Wohnung für Lea, die Jüngste. Maria will ihren Garten neu gestalten lassen, ansonsten fehlt es ihr wohl an nicht viel.
Doch am nächsten Tag hat die Euphorie ein abruptes Ende. Maria hat im Schreibtisch des Onkels Unterlagen gefunden, die eindeutig zeigen, dass er dieses viele Geld mit rechtsextremen Propagandaveranstaltungen verdient und diese Ansichten auch geteilt hat.
Kann man ein so politisch schmutziges Geld annehmen? Natürlich nicht, fordert Maria. Und man müsse zur Polizei gehen, den Onkel posthum anzeigen und das rechtsradikale Netzwerk aufdecken.
Und da bricht es dann aus Sara heraus. Die Wut auf diese Überheblichkeit, mit denen gutsituierte Links-Liberale wie Maria wissen, was richtig und falsch ist. Diese moralische Besserwisserei von Leuten, die angeblich keine Ahnung haben, wie es weniger privilegierten Menschen geht.
Wie kann ein solcher Konflikt enden? Autorin Leni Brem-Keil hat natürlich eine Schlussvolte parat.
Was bleibt ist das Erschrecken darüber, dass der verhasste politische Gegner nicht nur irgendwo in der Politik und in den Medien, sondern im vertrauten Umfeld zu finden ist und die Kontroversen selbst da nicht zu überwinden sind.
Es ist ein Theatertext, in dem viel argumentiert, debattiert wird. Aber als Regisseurin hat es Leni Brem-Keil verstanden, die drei unterschiedlichen Charaktere in einem immer interessanten persönlichen Spannungsfeld zu erzählen. Begeisterter Applaus.
Tickets: www.okticket.de
Spielplan: www.altstadttheater.de
Foto: Ina Wobker