Wie wäre es, nach 15 Jahren Ehe noch einmal von vorne anzufangen, weil alle Erinnerung gelöscht ist? So scheint es Gilles zu gehen, als er nach einem Krankenhausaufenthalt von einer Frau, die behauptet seine Frau zu sein, in eine Wohnung gebracht wird, von der sie behauptet, es sei ihre gemeinsame.
Diese Anfangsdialoge haben ziemlich viel Witz, auch wenn die Desorientierung eines Mannes mit Gedächtnisverlust nicht so lustig ist. Aber vielleicht simuliert Gilles seine  Amnesie auch nur? Wie war er so als Ehemann? Stimmt es, was Lisa über ihn und ihre Ehe erzählt, oder suggeriert sie ihm, so zu sein, wie sie ihn gerne gehabt hätte? Kann er sich wirklich an nichts mehr erinnern? Und war seine  Kopfverletzung wirklich ein Unfall?

„Kleine Eheverbrechen“ heißt das Zweipersonen-Theaterstück des französischen Erfolgsautors Eric-Emmanuel Schmitt, das die Leiterin des Ingolstädter Altstadttheaters Leni Brem-Keil dort inszeniert hat. Mira Huber und Kolja Heiß spielen Lisa und Gilles sehr reizvoll und vor allem undurchschaubar.

Die beiden ringen um Identität, Lüge und Wahrheit. Sie bluffen, manipulieren  und führen sich gegenseitig aufs Glatteis der Gefühle. Sie will ihn verlassen. Er will sie verlassen. Und wie war die Situation bei ihrer ersten Begegnung?  Hat er ihr aufs Auto gekotzt oder sie auf seins?  
Mira Huber und Kolja Heiß spielen dieses Ringen um die Vergangenheit und Gegenwart ihrer Beziehung mit großartig subtilem Charme in einem  intellektuellen und emotionalen Florettfechten. Man ist kultiviert und bewahrt Contenance. Die Abgründe, Boshaftigkeiten und Fallstricke lauern hinter der Fassade der wohlgesetzten Worte.

Schmitt treibt dieses Spiel mit der Subjektivität der Wahrnehmung des Anderen, der Beziehung und der Erinnerung durch viele unerwartete Wendungen. Und am Ende wissen wir nur eines: Dass wir über gar nichts sicher  sein können. Außer einen ziemlich spannenden, anregenden Theaterabend gesehen zu haben.  

Die nächsten Vorstellungen von „Kleine Eheverbrechen“ im Ingolstädter Altstadttheater sind am 6. , sowie am 27. Und 28. Dezember.
Karten gibt es bei www.okticket.de oder per mail an karten@altstadttheater.de

Foto: Ina Wobker