Grandiose zeitgenössische Musik, die zutiefst berühren und aufwühlen kann. Ein kulturelles Highlight des Jahres 2024 fand für mich in Linz statt. Und es hat durchaus etwas mit der Region zu tun, weil die Komponistin, Susan Oswell in Riedenburg lebt.
Es geht um eine vor allem musikalisch sensationelle Musiktheater-Uraufführung zum Bruckner-Jahr 2024 im Alten Dom in Linz, an dem Anton Bruckner 13 Jahre lang Organist war.
Ursprünglich sollte der in vielen Genres erfolgreiche Komponist Franz Hummel ein Werk zum 200. Geburtstag von Anton Bruckner für Linz schreiben. Er starb im August 2022 an den Folgen eines Schlaganfalls. So erhielt Susan Oswell, seine Witwe und Kompositionsschülerin, die bereits mit zwei eigenen Opern und viel Kammer- und Orchestermusik in Erscheinung getreten ist, vom Landestheater Linz den Auftrag zu diesem Werk.

Es heißt „Der Findling“. Das Libretto von Hermann Schneider beschreibt den inneren Lebensweg eines Mannes, es könnte Anton Bruckner sein, der in einem erratischen Felsbrocken aus der Vorzeit, einem Findling eben, ein Symbol für seine Suche nach seiner Bestimmung sieht.
Die poetisch rätselhaft formulierten Inhalte sind eine stark symbolhafte Übertragung einer multiperspektivisch gesehenen Lebenssuche in Gebirgs- und Flusslandschaften, mit Märchenmotiven wie einem Vogelzwerg, mit Turmbau, Sternenhimmel und einem Kristallpalast und Prägungen durch eine arme Landbevölkerung und christliche Sinnstiftungsangebote.

Susan Oswell als Komponistin konnte für die musikalische Umsetzung dieser Fantasiewelt aus dem Vollen schöpfen. Das Brucknerorchester Linz spielte unter der Leitung von Markus Poschner, der zu Beginn seiner Dirigentenkarriere ja auch mal Chefdirigent des GKO Ingolstadt war. Es gab 5 Gesangssolisten, zwei Chöre und einen Kinderchor, und eine Tanzgruppe und einen Organisten. Und Regisseur Lukas Hemleb entfaltete im gesamten Kirchenraum ein eindrucksvolles Spektakel mit allegorischen Figuren, Fabelwesen und Puppen, Tanzchoreographie und faszinierenden Lichtinstallationen, intensiven Sänger-Darstellern und starken Bildern.
Unglaublich packend war die Komposition von Susan Oswell. Sie hat einen ganz eigenen und immer gut hörbaren Weg gefunden, musikalische Traditionen von Franz Schubert bis zur Avantgarde des 20. Jahrhunderts durchklingen zu lassen und mit enormer Ausdruckskraft ins Heute zu führen.

Sie hören ein Gespräch mit der Komponistin Susan Oswell, unmittelbar nach der umjubelten Premiere am 7. Juni 2024 in Linz.

Foto: Reinhard Winkler