„Die Geierwally“ als groteske Schaubuden-Moritat im KH des Stadttheaters Ingolstadt

„Die Geierwally“ als groteske Schaubuden-Moritat im KH des Stadttheaters Ingolstadt

Als  groteske Schaubuden-Moritat  mit Musik in einer Mischung aus Schauspiel und Puppenspiel inszenierte Frank Alexander Engel im Keinen Haus des Stadttheaters Ingolstadt „Die Geierwally“, eine dramatische Geschichte über Gewalt, Liebe, Eifersucht  und Hass in den Tiroler Bergen.  Letzten Freitag war Premiere.
„Die Geierwally“ der Münchner Schriftstellerin Wilhelmine von Hillern  handelt einerseits von hoffnungsloser Liebe, Verzweiflung, Hass  und Ausgrenzung in den archaischen Dimensionen einer antiken Tragödie und ist andererseits ein alpenländischer Heimatroman aus dem 19. Jahrhundert.
Regisseur Frank Alexander Engel hat mit seiner  Bearbeitung aus erzählenden und Dialogpassagen in  nur  1 ½ Stunden Spieldauer eine zügige Komprimierung der sich über Jahre hinziehenden Romanhandlung geschaffen –  und eine konsequente theatrale Form: eine groteske Schaubuden-Moritat mit Puppenspiel, Schauspiel und Live-Musik als weiterem Erzählelement.
Auf der Bühne steht eine Guckkastenbühne mit Vorhang in der Art einer Jahrmarktsbude. Wenn die Figuren innerhalb dieser Schaubude agieren, tragen sie umgehängte Miniaturpuppen, sog. Kaukautsky-Puppen mit beweglichen Beinen und  Armen. Der große Kopf der Darstellenden überragt einen gedrungenen, zwergenhaften Miniaturkörper.  
Und es  ist auch ein wenig drollig und unfreiwillig (?) komisch, wenn die Puppen bei Entsetzen ihre Ärmchen zum Himmel recken  wie bei der Parodie der expressiven Spielweise der Stummfilmakteure. Auch die oft  illustrative Gestik der Puppen aber auch der Schauspieler –  ich zeige auf mein Herz, wenn ich von meinem Herzen spreche – schafft ironische Distanz.
Allerdings reißen sich die Darsteller diese umgehängten Puppenminaturen auch immer wieder mit einem Ruck vom Leib und rennen auf die Vorbühne, wenn die Emotionen besonders stark sind. Und wenn Wally als Herrin auf dem Hof ein strenges Regiment führt,  steht sie mit einem bodenlangen Rock auf einem Schemel, sodass ihre Größe nun überdimensioniert wirkt.

Es macht Spaß, all die Details dieser Schaubühne und der Puppenkostüme zu entdecken, die Frank Alexander Engel und Ausstatterin Kerstin Schmidt zur Illustration des Geschehens erfunden haben.  ….

Das Spiel mit Größenverzerrungen und den puppenhaften Verfremdungen der Figuren unterfüttern  die stringente Gesamtästhetik   und die formale Strenge dieses Theaterabends.
Wesentlichen Anteil an der Gesamtwirkung der Aufführung hat die Live-Musik von Sebastian Herzfeld. Der Musiker unterlegt das Geschehen  an Tasteninstrumenten, E-Bass und allerlei selbstgebauten Klangmaschinen mit leichten Anklängen an alpenländische Musik, an Orgelton und Geierrauschen, er imitiert Herzklopfen und Schneesturm. Das hat Witz und Charme.  
Auch die Schauspieler agieren in expressiv-puppenhaften Choreographien, ballen sich zum Tableaux zusammen um chorisch zu sprechen oder zu singen, mehrstimmig, jodlermäßig und auch mit  Goethes „Der du von dem Himmel bist“.  
Mit clownesk weiß getünchten Gesichtern, schwarz umrandeten Augen und roten Bäckchen sind es lebendige Schießbudenfiguren, die ihren Stereotypen nicht entfliehen können.

Man mag bei dieser puppenhaften Spielweise  ein wenig um das Mitgefühl mit den hohen Emotionen der Protagonisten gebracht werden. Aber die atmosphärische Musik  und die Stimmigkeit der Aufführung entwickeln  ihren eigenen Drive. Und das  Kippen des Tragischen ins Lustige ist ein legitimes Volkstheaterelement.

Foto: G. Nassal

„Die Geierwally“ als groteske Schaubuden-Moritat im KH des Stadttheaters Ingolstadt